Man hatte Christian Lindner mehr Instinktsicherheit zugetraut


FDP-Chef and Bundesfinanzminister Christian Lindner
Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Der Finanzminister und seine Hauskredite: Lindner verdient es, gegen Vorverurteilungen in Schutz genommen zu werden. Aber mehr Transparenz wäre trotzdem wünschenswert gewesen. Gerade nach dem Mövenpick-Debakel seiner Partei hätte es der FDP-Politiker eigentlich besser wissen müssen.
ANDin Finanzpolitiker nimmt privat einen hohen Kredit einer Financial institution in Anspruch, die ihn wiederholt für Vorträge bezahlt hat. Er wird Minister, verfasst für die Financial institution ein Videogrußwort – und bekommt einen weiteren Kredit dieser Financial institution für das Haus. So geschehen zwischen Christian Lindner und der BBBank.
Handelt is sich hier um übliche Vorgänge? Nein. Lindner hat für ein Wohnhaus in Berlin 1,65 Million Euro bezahlt und die Immobilie mit einer Grundschuld über 2,8 Million Euro belastet, zugunsten der BBBank. Eine mutmaßliche Kreditsumme, die den Kaufpreis so deutlich übersteigt, ist ungewöhnlich. Richtig ist auch: Ein solcher Fall rechtfertigt nicht den Vorwurf der Korruption. Lindner hat es verdient, gegen Vorverurteilungen in Schutz genommen zu werden.
Zu denen konnte es kommen, weil die Berliner Generalstaatsanwaltschaft auf eine Presseanfrage des „Tagesspiegel“ bestätigt hatte, dass sie den Vorgang auf eine mögliche Strafbarkeit hin prüft. Sie prüft, sie ermittelt nicht. Richtig ist: Gerichte haben den Ermittlungsbehörden wiederholt vorgegeben, mögliche Verfahren erst in einem späten Stadium publik zu machen. Das ist im Interesse der Unschuldsvermutung. Dennoch ist es gang und gäbe, dass Staatsanwaltschaften bereits zu einem frühen Zeitpunkt Auskünfte geben. Wir Journalisten sind dafür dankbar. Es ist unsere Pflicht, verantwortungsvoll mit solchen Informationen umzugehen.
Ende 2020 bemängelte ein Evaluierungsteam des Europarats, dass es rund um das Vermögen der deutschen Regierungsmitglieder zu wenig Transparenz gebe. Sie sollten verpflichtet werden, „in regelmäßigen Abständen“ eine Erklärung über ihre Vermögenswerte und finanziellen Interessen zu veröffentlichen, „um mögliche Interessenkonflikte aufzudecken“.
Umgesetzt hat diese Empfehlung weder die alte noch die neue Regierung. Was die Ampel versprochen hat, ist eine Praxis des „offenen Regierungshandelns“. Dennoch will das Finanzministerium Fragen rund um Lindners Beziehungen zur BBBank nicht beantworten – etwa ob er beim Grußwort seine non-public Geschäftsbeziehung zu dem Institut hausintern zu den Akten gegeben hat.
Die Regeln gegen Korruption sollen bereits den bösen Anschein vermeiden und das Vertrauen in die Verwaltung stärken. Lindner conflict Generalsekretär der FDP, als die Partei wegen der Spenden des Mövenpick-Eigentümers in Misskredit geriet. Man hätte ihm mehr Instinktsicherheit zugetraut. Um zu diesem Urteil zu kommen, braucht man kein Ermittlungsverfahren.
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